Abhängigkeit von Psychopharmaka
Prof. Goetzsche: Die medikamentöse Therapie führt in die Abhängigkeit. das ist eines der bestgehüteten Geheimnisse in der Psychiatrie. Den Patienten fällt es schwer, die Mittel abzusetzen, weil es Entzugssymptome auslöst.
Einige Psychologen behaupten sie seien von der Liste der Therapeuten geworfen worden, weil sie sich kritisch gegen Psychopharmaka geäußert haben.
Dabei gibt es doch auch einzelne Psychiater, die ein Leben lang erfolgreich ohne Psychodrogen arbeiten konnten, sogar bis in das Rentenalter, allerdings wurden ihnen in Kliniken oder Einrichtungen ihre sozialpsychiatrischen Projekte bald der Geldhahn abgedreht , da sie nachgewiesen hatten , dass ohne Psychopharmaka auch bei schwerst Gestörten das Ergebnis gleich gut oder sogar besser war (lesen Sie über Peter Breggin im Kapitel Schizophrenie).
Lesen Sie dazu: die Kapitel unter ADHS, Manie und die unter Depression.
Auch in meiner klinischen Zeit als Psychiater fragten Patienten immer wieder, ob das Mittel abhängig macht (Antidepressivum oder andere) und bekamen eine falsche Antwort (wie ich heute weiß).
Prof. Goetzsche:
"Soweit ich weiß, machen alle psychoaktiven Substanzen süchtig, zum Beispiel Alkohol, Opioide, Barbiturate, Benzodiazepine, SSRI, Antidepressiva, Straßendrogen, von denen einigen mit Medikamenten identisch oder ihnen sehr ähnlich sind. Entzugssymptome für alle Psychopharmaka wurden empirisch nachgewiesen. Nicht jeder leidet nach dem Absetzen unter einem Entzug, auch nicht bei den Straßendrogen.
Wird ein Protonenpumpenhemmer (Omeprazol, ..) wegen Sodbrennen oder einer Gastritis verordnet, abrupt abgesetzt, können die Beschwerden noch schlimmer werden als zu Beginn der Einnahme. Deshalb bleiben manchen Patienten bis zum Ende ihres Lebens abhängig -
die Entzugssymptome täuschen ihnen vor, dass sie das Medikament noch immer brauchen.
Die Vertuschung ist nur möglich, weil sich die Industrie, Zulassungsbehörden und Ärzte sich daran beteiligen.
Das hat eine lange Geschichte: in den dreißiger Jahren wurden nicht erkannt, das Barbiturate abhängig machen, und Ärzte, die darauf hinwiesen wurden jahrzehntelang ignoriert.
Es dauerte 40 Jahre bis das britische Gesundheitsministerium das Problem endlich erkannte und man begriff, dass die Menschen nicht deshalb an den Barbituraten festhielten, weil sie krank waren, sondern weil sie nicht starke Beschwerden mit der Einnahme aufhören konnten.
1955 wurden in den USA so viele Tabletten produziert, dass 7 % der Bevölkerung jeden Tag eine Tablette hätten schlucken können.
In den Roman "schöne neue Welt von Aldous Huxley schlucken die Menschen jeden Tag die Droge Soma um ihr Leben in den Griff zu bekommen und unangenehme Gedanken zu vertreiben.
Heute drängt die Fernsehwerbung in den USA genau auf das gleiche: sie präsentiert unglücklich wirkende Menschen, die nach der Einnahme einer Pille ihre Leben wieder meistern und glücklich wirkten.
In den 60er Jahren waren die Benzodiazepine an der Reihe: Ärzte hielten sie für harmlos und verschrieben sie gegen fast alles (wie heute Antidepressiva, Antiepileptika).
Hoffmann-La Roche warb so intensiv für Valium (Diazepam), das es zum meistverkauften Medikament der Welt wurde. Die Umsätze waren so hoch, das 10 % der Bevölkerung hätten versorgt werden können. Der Körper gewöhnt sich an die Substanz, braucht mehr oder erleidet einen Entzug und damit oft eine Verschlimmerung der eigentlichen Beschwerden des Patienten, die dann oft noch schlimmer werden.
Jahrzehnte lang wurden bestritten , das Benzodiazepine abhängig machen - heute würde das kein Apotheker oder Arzt mehr können und wollen (oder müssen). Und das obwohl bereits 1961 schwere Abhängigkeiten nachgewiesen wurden dauerte es weitere 20 Jahre, bis man reagieren musste. Das kollektive Leugnen war umfassend. Noch in den 80er Jahren erklärte die britischen Gesundheitsbehörde "gestützt auf ihre vorliegenden Berichte" nur 28 Menschen seien in 17 Jahren von Benzodiazepinen abhängig geworden. Korrekt war wohl eine halbe Million.
In den 80er Jahren gab man zu, dass der Konsum der Droge eine Katastrophe für die Volksgesundheit war - gerade rechtzeitig zur Markteinführung der SSRI, die mit ihren neuen Patenten wesentlich teurer waren als die alten Drogen.
Zudem sollte die Definition einer Substanzabhängigkeit geändert werden, was die amerikanische Psychiater Vereinigung auch sofort machte. Dieser Wechsel der Kriterien war für die Firmen Milliarden wert:
Vor 1987 war eine "Abhängigkeit"= die Entwicklung einer Toleranz (Dosis muss immer weiter erhöht werden) + Entzugssymptome.
Seit 1987 muss der Arzt in vielen Fällen eine Abhängigkeit (zum Beispiel von einem Antidepressivum) nicht mehr in den Arztbrief/die Patientenakte aufnehmen. Dafür gibt es jetzt 9 Wischi-Waschi Kriterien, die alle sehr dehnbar sind.
Auch wenn ein Patient schon nach einer einzigen verpassten Dosis Paroxetin Entzugs-Symptome bekommt, muss das nicht mehr Entzug genannt werden.
Wegen die vielen neuen Kriterien: Ohne Arzt darf jetzt nicht mehr beurteilt werden, ob der Patient im Entzug ist - auch dank der Psychiater Vereinigung.
Auch wenn Patienten mehrere Male versucht haben ein Medikament abzusetzen und das Entzug sofort so heftig war, dass dies nicht gelang und sie sich entschlossen haben es wegen der schlimmen Entzugs-Symptome nie wieder versuchen - sind die nach den neuen Zeit-Kriterien nicht abhängig, obwohl sie eigentlich die abhängigsten sind.
Alles ein Deckmantel um davon abzulenken, dass SSRI ´s (die heutigen Antidepressiva) abhängig machen:
# Bei den Forschungen der - bis 2018- renommiertesten Organisation zu Beurteilung von Studien und Arzneimitteln der Cochrane Collaboration konnte festgestellt werden, dass 37 von 42 Entzugssymptomen denen vom Entzug von Benzodiazepinen entsprechen.
# 57% von von 500 dänischen Patienten sagten: "wenn lange Zeit Antidepressiva eingenommen wurden, ist es schwierig damit aufzuhören".
# 55% von 1829 Patienten in Neuseeland erwähnten Entzugserscheinungen, 25 % davon schwere.
Ärzte und Firmen bezeichnen eine Abhängigkeit oder Entzug von SSRI/Antidepressiva als nicht existent.
Wenn wieder nach 40 Jahren neue Substanzen gefunden werden/ein neues "Schwein durchs Dorf getrieben" wird, kann man es ja wieder zugeben, um damit den Umsatz des neuen und damit teuren Medikamentes zu befeuern.